Pferde sind hoch soziale Herdentiere, die in einer natürlichen Umgebung, auch heute noch zu beobachten bei frei lebenden Mustangs in den USA, auf großen Flächen weite Strecken auf der Suche nach Nahrung und Wasser zurücklegen.
So richtig naturnah auf sehr großen Flächen, werden zum Reiten oder Fahren genutzte Pferde in Deutschland, Österreich oder der Schweiz wahrscheinlich nur in den wenigsten Gegenden gehalten.
Das liegt zum einen an den vorhandenen Flächen, hier im Rhein- / Neckar-Raum zum Beispiel ist der für Pferdehaltung zur Verfügung stehende Grund meist mehr als knapp,  zum anderen auch an der Tatsache, dass man als Reiter oder Fahrer seinen Pferdepartner gerne in einer einigermaßen erreichbaren Nähe haben möchte.
Wenn man die Möglichkeit hat wilde Pferde zu beobachten oder sich Filme oder Videos anschaut, es gibt einige Videos auf Youtube oder auch Gruppen in Facebook, sieht man häufig, dass auch innerhalb einer Herde die Herdenmitglieder beim Grasen einen ziemlich großen Abstand voneinander einhalten und häufig in Kleingrüppchen stehen: Mutter mit Fohlen bei Fuss und Töchter oder einander sympathische Pferde.
Aggressives Verhalten zeigen Pferde in freier Wildbahn eher selten, mit Ausnahme konkurrierender Hengste, dies kostet zu viel Energie und gefährdet den Herdenzusammenhalt.
Bei unseren domestizieren Pferden kommt es in den willkürlich zusammengewürfelten Herden dagegen häufiger vor, dass es zu Aggressionen untereinander kommt.
Gruppenhaltung, Aggressionen und Platzangebot:
Nicht jedes Pferd mag „kuscheln“
Gut, dass den letzten Jahrzehnten in der Pferdewelt ein Umdenken stattgefunden hat und viele Pferdeställe Auslaufflächen anbieten.Â
Häufig auch eine Gruppenhaltung.
Viele Pferdehalter zögern jedoch, ihr Pferd in solch eine Gruppe zu integrieren, weil sie Angst vor Verletzungen haben.
Jeder Pferdebesitzer hat sicher ab und an die Schreckensbilder von beißenden und steigenden Pferde, Bisswunden und zertrümmerten Knochen vor Augen.
Ich auch, da kann man sich als Pferdemutti wohl nicht ganz freimachen 😉 .
Meine persönliche Einstellung dazu ist aber, dass ich will, dass sich mein Pferd körperlich und seelisch wohl fühlt und dazu gehört einfach das Ausleben seines natürlichen Bedürfnissses nach sozialen Kontakten im Herdenverband und das freie Bewegen auf so großen Flächen wie es die örtlichen Gegebenheiten und auch die Gesundheit meines Pferdes zu lassen.
(zum Beispiel ist ja die eingeschränkte Grasfütterung bei Pferden, die zum EMS neigen ein Muss – einen Artikel zum EMS findet ihr HIER).
Klar ist jedoch, dass Verletzungen nie ganz ausgeschlossen werden können, auch nicht in einer reinen Boxenhaltung, aber ich finde, als Pferdebesitzer muss man auch loslassen können und sein Pferd nicht in Watte packen:
das bin ich meinem Pferdepartner schuldig.
Aber was mich als Pferdebesitzer und auch als Stallbetreiber eines – sehr kleinen -Pensionsstalls häufig bewegt:Â
wie können Aggressionen der Herdenmitglieder untereinander möglichst vermieden werden?
Gut, machen wir uns nichts vor, es gibt Pferde oder Ponys, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in eine Gruppe integriert werden können, zum Beispiel bei beschränktem Platzangebot die meisten erwachsenen Hengste, aber auch Pferde, die kein normales Sozialverhalten gelernt haben, Pferde, die sich in einer Gruppenhaltung aus welchen Gründen auch immer, nicht wohl fühlen oder die ewigen Stänkerer, die es unter Pferden genauso gibt wie unter Menschen.
Aber die normal sozialisierte Stute, der normal sozialisierte Wallach sollte eigentlich ohne Probleme in eine Gruppe einzugliedern sein.
Eine interessante Studie zum Aggressionsverhalten von Pferden in Abhängigkeit vom Platzangebot pro Pferd  haben die Wissenschaftlerinnen Professor Dr. Konstanze Krüger von der Universität Nürtingen und Dr. Birgit Flauger von der Universität Hohenheim1)durchgeführt.
Laut dieser Studie lassen sich Verletzungen durch gegenseitige Aggressionen minimieren, wenn den Pferden ausreichend Platz zur Verfügung steht.
Beobachtet wurde das Verhalten der Pferde und Ponys in 11 Gruppen verschiedener Große und Zusammensetzung in Weide- und Paddockhaltung.
Die Pferdeherden waren teilweise 24 Stunden auf der Weide und im Auslauf, teilweise nachts aufgestallt.
Rahmenbedingungen
- 11 Gruppen
- Dauer der Beobachtungen: Juli 2006 bis April 2009
- 3 reine Wallachherden,
2 reine Stutenherden,
6 gemischtgeschlechtliche Herden (Stuten, Wallache) - 3 bis 20 Pferde je Gruppe vom Pony bis zum Warmblüter
- Alter 1 bis 30Â Jahre
- gelegentlicher Wechsel im Bestand
- Nutzung von Freizeitreiten bis Sport
- Auslauf- / Weideflächen von 402 m² (3 bis 4 Wallache) bis hin zu 17.882 m² (15 Wallache und Stuten)
- 4 Gruppen 24 Stunden Weide und Offenstall,
7 Gruppen tagsüber Gruppenhaltung, Nachts Einzelaufstallung in Boxen - Fütterung zweimal am Tag Heu, Kraftfutter einmal oder zweimal am Tag, Weidegang sofern möglich, ständiger Zugang zu Wasser
Soziale Verhaltensweisen der Pferde untereinander
(wie in der Studie beobachtet und bewertet)
Aggressives Verhalten
- Beissandrohung
Offenes Maul mit gefletschten Zähnen und zurückgelegten Ohren mit in Richtung des anderen Pferdes ausgestrecktem Hals - Biss
Schnelles Öffnen und Schließen des Mauls, dabei ergreifen die Zähne das Fleisch des Gegeners.
Die Ohren sind dabei angelegt und die Lippen zurückgezogen - Androhung Schlag
Leichtes Anheben des Hinterbeins vom Boden und unter den Körper mit angespannter Bereitschaft, manchmal auch kurzes nach hinten Ausschlagen in Richtung des anderen Pferdes, aber mit genügend Abstand zum anderen Pferd, dass es nicht getroffen wird - Schlag
Eine oder beide Hinterbeine heben vom Boden ab und schlagen in Richtung des anderen Pferdes mit deutlicher Absicht zu treffen - Jagen
Ein Pferd jagt das andere, um es zu verjagen oder seine Richtung zu bestimmen.
Normalerweise legt der Jäger die Ohren zurück und entblößt die Zähne.
Die Bewegung kann im Schritt, Trab oder Galopp stattfinden.
Annäherungsverhalten
Auf ein anderes Pferd in freundlicher Weise zugehen, die Ohren sind nicht zurückgelegt.
Der Annäherung kann ein Rückzug, keine Reaktion oder eine Annäherung des anderen Pferd folgen.
Unterwürfiges Verhalten, Rückzug
Ein Pferd bewegt sich weg, um gegenüber einem anderen Pferd die Distanz beizubehalten oder zu vergrößern.
Normalerweise ist der Rückzug eine Reaktion auf die Aktion eines anderen Pferdes.
Ergebnisse der Studie
Der zur Verfügung stehende Platz pro Pferd hat einen erheblichen Einfluss auf aggressives Verhalten in Herden, über 331m² pro verfügbarem Platz pro Pferd tendiert die Aggression einer stabilen Gruppe gegen Null.
Wenn die Pferde weniger als 106m² pro Pferd zur Verfügung hatten, fanden 23 bis 85 aggressive Handlungen pro Stunde! statt. Eine ganz Menge, wie ich finde.
Neueingliederungen verliefen um so reibungsloser, je mehr Fläche zur Verfügung stand.
Die Forschergruppe empfiehlt als Ergebnis dieser Studie eine Minimalgrösse pro Pferd in Gruppenhaltung von 331 m².
Das zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fordert in seinen „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ 2) für bis zu zwei Pferde mindestens 150 qm und für jedes weitere Pferd 40 qm Auslauffläche.
Interessant die Empfehlungen anderer Länder:
Schweden empfiehlt 300m² Fläche pro Pferd, Dänemark sogar 800m²!
Was eigentlich logisch ist, aber aus meiner Sicht viel zu wenig berücksichtigt wird, wenn man manche mit Pferden geradezu vollgestopften Offenställe, Ausläufe und Weiden in vielen Ställen sieht.
Wird schon nix passieren, ist noch nie was passiert, den Pferden gefällts, war immer schon so, sind so die Sprüche, die man als kritischer Pferdebesitzer dann oft zu hören bekommt.Â
Pferde brauchen Platz, je mehr, desto besser!
Idealerweise pro Pferd mindestens 331 m².
Was ich aus der Studie für unseren Betrieb mitgenommen habe:
Ich werde bei uns noch mehr als vorher darauf schauen, dass jedem Pferd genug Raum zur Verfügung steht und vor allem beim Eingliedern neuer Pferde noch mehr darauf achten, dass sie genug Platz haben, um sich auszuweichen.
Was ich in der Studie vermisse
Was in dieser Studie nicht untersucht wurde ist, dass Pferde unterschiedlichen geografischen Ursprungs (zum Beispiel Isländer, Iberer, Kaltblutpferde, Araber) unterschiedliche Ansprüche an eine Individualdistanz haben:
Beispielsweise lieben es die meisten Isländer zu „kuscheln“, wohingegen viele iberische Pferde oft mehr Individualdistanz für sich beanspruchen.
Es gibt ein super interessantes Buch, was seit vielen, vielen Jahren einen Ehrenplatz in meinem Bücherschrank hat:
der leider verstorbene Autor Tierarzt Dr. Michael Schäfer beschreibt in seinem Buch die Lebensweise von Pferden und ihr Verhalten unter den verschiedensten Bedingungen.
Im zweiten Teil erklärt er die Ausdrucksformen des Pferdes, seine „Sprache“ von den Lautäußerungen bis zur Körperhaltung und Gesichtsmimik anhand von vielen Fotos.
Super spannend und ein Muss für jeden Pferdemenschen!Â
Harmonie oder Stress in einer Pferdegruppe,
woran kannst du das erkennen?
- Schau dir an, wie viel Platz den Pferden zur Verfügung steht
- Schau dir die Herde an, beobachte ihr Verhalten:
- ist sehr viel Unruhe in der Gruppe,
- gibt es einen oder mehrere Mobber in der Herde,
- wirken die Pferde hektisch, gestresst,
- müssen Gruppenmitglieder einem anderen Herdenmitglied häufig ausweichen, sogar hektisch wegtraben,
kommen Herdenmitglieder dauernd nicht zur Ruhe, werden sogar aus dem Liegen aufgescheucht, - gibt es häufig Verletzungen,
- Stuten und Wallache getrennt?
die getrennten Herden sind in der Regel ruhiger, - gibt es viele Koliken:
Koliken können durchaus vermehrt bei Stress auftreten – Magengeschwüre! - kommen alle Pferde in den Unterstand, in den Schatten,
- gerade oder ungerade Pferdeanzahl: gerade ist besser, da Pferde häufig Zweier-Beziehungen pflegen und bei einer ungeraden Anzahl findet oft ein Topf seinen Deckel nicht,
- gemischtrassige Herde?
Es ist meist schwierig ein Pferd einer anderen Rasse in eine Rassegruppe zu integrieren – reine Isländerherden zum Beispiel sind berüchtigt dafür, keine anderen Rassen zu dulden, - haben alle Pferde immer Futter zur Verfügung,
wenn gefüttert wird: steht eines abseits und kommt ständig zu kurz, ist  zu dünn, weil es zu wenig abbekommt? - kommen alle Pferde ans Wasser oder ist die Tränke in einer Ecke, die vom Herden-Rowdy besetzt gehalten wird oder gleicht der Weg zur Tränke einem Spießrutenlauf?
- wie sind die Unterstände konstruiert
- gibt es mehre Türen, so dass auch alle Tiere in die Hütte kommen: gerne blockiert der Boss die Eingänge
- gibt es einen Ruhebereich mit einer weichen Liegefläche -> Hier ein Artikel zum Pferdeschlaf, was ihn stört, wie Pferde am Besten schlafen und was mangelnder Schlaf für Auswirkungen haben kann
- können die Pferde einander ausweichen, ohne das sie in eine Ecke gezwängt werden können
- Wie wirken die Pferde im Gesichtsausdruck:
schlecht gelaunt, angelegte Ohren, kantig, gekräuselte Nüstern, festgezogene Unterlippe?
oder locker, fröhlich, betreiben Körperpflege
Etwas zum Weiterlesen:Â
Wie steht dein Pferd oder Pony?
Steht es in einer Herde?
Gab es schon Probleme mit anderen Pferden?
Schreib mir im Kommentar,
ich freue mich auf deine Nachricht!Â
gerne teilen!
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auch interessant
1) Pferdeheilkunde 29 (2013) 4 (Juli/August) 495–504 „Aggression level and enclosure size in horses (Equus caballus)“ Birgit Flauger  1 and Konstanze Krueger 2
Biology I, Institute of Zoology, University of Regensburg, Regensburg 1 and Agriculture, Economics and Management, Department Equine Economics, Nuertingen zurück
Geislingen University, Nuertingen 2 Datei Studie,
Bilder: featured Bild flickr / Dani Vazquez, Pferdeherde, flickr, Jeff, steigende Friesen flickr / Julian Schüngel, beißender Brauner flickr / smerikalÂ
Anne Bonny meint
Ich wusste nicht, dass der Platz den ein Pferd hat, ein Indikator für aggressives Verhalten ist. Da wir für unsere Pferde ein neues Gestüt bauen ist der Platz daher total wichtig. Gut zu wissen, dass ein Pferd mindestens 331m2 braucht.
Richard meint
Wir wollen auch einen Pferdestall bald bauen. Die Planung überlassen wir den Fachmännern. Ich recherchiere noch, was unsere Wünsche für das Projekt werden. Also aus dem Artikel habe ich gelesen, dass Pferde eine Territorium auch für den Auslauf brauche, wobei sie gerne mit ihren Partnern da bleiben können. Danke für die Information!
Lynn meint
Unsere Pferde, aktuell noch zu dritt, haben direkt am Offenstall etwa 500qm pro Nase (im Winter ist das der hauptsächliche Aufenthalt), die Weide, wo sie tagsüber stehen, hat ca 1 Hektar.
Die Überlegung, ein viertes dazu zu nehmen, gibt es, da eines häufig etwas alleine ist.
M.M. nach sind die genannten gut 300qm wirklich das Minimum, falls es Antipathien zwischen den Tieren gibt. Bei „guten Freunden“ sicher nicht so kritisch. Aber den Bewegungsdrang wirklich ausleben können gerade jüngere Tiere wohl nur auf wesentlich größeren Flächen. Es ist herrlich, ihnen zuzusehen, wenn sie über die große Weide fliegen!